23.02.2004 / Leserbrief: Februar 1934

Vorarlberger Nachrichten


 

Anton Ilg fordert uns zu einer Entschuldigung auf. Seine Anschuldigungen entbehren jedoch jeder sachlichen Grundlage, da die Aussagen in dieser Form nicht getätigt wurden.

Wahr ist, dass wir in unserem Vortrag darauf hingewiesen habe, dass Landeshauptmann, Ex-Kanzler und Verfassungsminister Dr. Otto Ender sowie Landesbauernführer Ulrich Ilg unzweifelhaft zu jenen gehört haben, die innerhalb der Christlichsozialen Partei bereits nach 1927 den Entdemokratisierungsprozess voran getrieben haben. Beide sind Repräsentanten des austrofaschistischen-autoritären-antidemokratischen-christlichen "Ständestaates", der politische Gegner verfolgte, Existenzen zerstörte, demokratische Parteien verbot und deren Vermögen kassierte, die Gewerkschaften zerschlug, das Streikrecht einschränkte, die Landtage auflöste, andere demokratische Rechte sistierte, die Todesstrafe wieder einführte, Nichtkatholiken und "Nonkonformisten" unterdrückte und den Parlamentarismus zerstörte.

Als Beispiel für die blutigen Februartage habe wir u.a. den Sturm auf das Arbeiterheim in Holzleithen (OÖ) angeführt: Dort wurden fünf unbewaffnete Sanitäter mit 30 Schüssen von den Regierungstruppen und "Heimwehrlern" niedergestreckt. Auch nach Regierungseintritt von Ulrich Ilg als Staatssekretär in die Regierung Dollfuß am 13. Juli 1934 wurde noch standrechtlich (d.i. ohne ordentliches Gerichtsverfahren) hingerichtet, so am 24. Juli 1934 der Sozialdemokrat Josef Gerl.

Von diesen Justizmorden wurde nach 1945 in Vorarlberg unter Landeshauptmann Ilg nicht gerne gesprochen. Nicht erst die Nationalsozialisten haben die Demokratie zerstört, sondern Dollfuß sowie sein Justizminister und Nachfolger Schuschnigg und deren Anhänger in den Jahren 1933/34. Unsere Gesellschaft tut sich so schwer mit dieser Diktatur, weil sie nicht von außen oder von Randgruppen kam, sondern aus der Mitte dieser Gesellschaft, aus Kreisen, die sonst allgemein als "gut" empfunden werden: von der Kirche, die dieses Regime mittrug, aus dem rechtschaffenen Milieu rundum sowie aus der eigenen Familie. Dennoch bleibt uns diese Auseinandersetzung nicht erspart.

Dr. Werner Bundschuh / Dr. Werner Dreier

 

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