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22.03.2003 / Werner Bundschuh: Rede zum Irak-Krieg

 Sa 22.03.03 / Marktplatz, Dornbirn


Liebe Mitdemonstranten und Mitdemonstrantinnen!

Nicht nur als Historiker stelle ich fest: "Krieg ist meist der Sieg der Dummheit - er ist immer ein Versagen, Krieg ist kein Mittel der Konfliktlösung - schon gar nicht in diesem Fall! Der Einsatz kriegerischer Mitteln im Irak ist zu diesem Zeitpunkt und unter diesen Rahmenbedingungen abzulehnen!
Eine erste Forderung lautet daher: Nie wieder Krieg ohne ausdrückliches Mandat der Völkergemeinschaft, kein Krieg mehr ohne Zustimmung der UNO!

Nach dem Grauen des Holocausts und des 2. Weltkrieges waren sich die Unterzeichner der UNO-Charta 1948 in San Francisco einig, dass diese Form des Präventivkrieges zutiefst abzulehnen ist! Die Bush-Entscheidung ist ein zivilisatorischer Rückfall, sie zeigt, wie Supermacht ihre Macht missbraucht, um den anderen ihren Willen aufzuzwingen. Diese Form der "Pax Americana" ist abzulehnen!

"Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns!" - sagt Bush!

"Bei allen wichtigen Dingen sollte das gelten. Wer nicht für den Frieden arbeitet - wenn auch noch so geringfügig - der arbeitet gegen ihn. Der Satz ist umgekehrt ebenso richtig; daher zählen alle Chauvinisten die stillen Friedensfreunde zu den ihren; sie sind ganz berechtigt zu sagen: "Wer sich nicht gegen den Krieg erklärt, der ist für den Krieg." Farbe bekennen, bitte"
Dies schrieb die Friedensnobelpreisträgerin von 1905 Berta von Suttner. Ja, es gilt heute Farbe zu bekennen!

Und deswegen stehen wir hier! Ich bin gegen diesen völkerrechtlich nicht abgedeckten Krieg, der von der Bush-Administration gegen den Irak geführt wird!

Das hat nichts damit zu tun, dass das Saddam Husseins Möderregime gutgeheißen wird. Um es klar zu sagen: Der Giftgasangriff auf die kurdische Bevölkerung im Nordirak war ein Verbrechen, Saddam Hussein ist zweifellos ein Massenmörder! Aber: Ein im Völkerrecht nicht vorgesehener Präventivkrieg kann nicht die Lösung sein. Dieser Angriffskrieg ist Ausdruck eines Machtrausches, der Grundfesten der Zivilisation gefährdet. Wie im Privatleben können doch Staaten - auch wenn sie sich noch so im Recht glauben und wenn sie noch so mächtig sind- nicht zum Faustrecht greifen! Das ist der Weg zurück zur Barbarei!

Viele Tausende und Abertausende, ja Millionen auf der ganzen Welt - über politische, religiöse, rassische Grenzen hinweg -stehen heute auf der Straße und rufen: So nicht Mr. Bush, so nicht Mr. Blair! Und das gibt wieder Hoffnung in diesen finsteren Zeiten! Nie in der Geschichte hat es im Vorfeld eines Krieges so viele Demonstrationen gegen das scheinbar Unvermeidliche gegeben! Das ist ein Ausdruck eines starken demokratischen Aufbegehrens, nicht nur in Deutschland, nicht nur in Frankreich..
Auch ich bin enttäuscht, dass trotzdem die Bomben auf Bagdad, Mossul und auf andere Städte niedergehen - nicht so klinisch sauber, wie manipulierte Fernsehbilder glauben machen möchten! Zeigt die toten Kinder und Frauen, die Verstümmelten und Verwundeten in CNN! Zeigt die Bilder von den toten Soldaten! Vielleicht wird dann die moralische Empörung auf der Welt noch größer und vielleicht stehen dann nicht mehr angeblich 80% der US-Amerikaner und Amerikaner- und innen hinter ihrem Präsidenten, der das internationale Recht mit Füßen tritt.

Von den vielen Stimmen, die gegen diesen Krieg sind, möchte ich eine zitieren. Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Bischof Desmond Tutu kämpft gegen die Enttäuschung an, dass es nicht gelungen ist, die Maschinerie des Krieges und der Militärlogik zu durchbrechen. Und er versucht Hoffnung zu geben "Wir sollten nicht versuchen, so zu tun, als wäre nichts. Aber wir müssen nach vorne schauen und darauf achten, dass die zuvor mobilisierten Energien nicht versickern. Sie sollten vernetzt und erweitert werden: Wachsamkeit wird künftig dringender geboten sein denn je! Krieg in der Ferne bedeutet zugleich einen massiven Angriff auf unsere Bürgerrechte. Wir dürfen nicht zulassen, dass Protest- und Meinungsfreiheit vom Druck des Patriotismus zermalmt wird!"
Es gibt kein Argument, das begründen könnte, warum der Irak mit aller Gewalt "demokratisiert" werden soll, wenn es kein einziges arabisches Land gibt, das demokratisch ist. In den USA werden selbst die Sheriffs gewählt. Bush erklärt sich selbst zum Sheriff, er ist ein selbst ernannter Weltpolizei. Und das ist zutiefst undemokratisch!
Dieser Irak- Krieg wir nicht - wie vorgegeben - aus Notwehr geführt - aber er wird tausendfache wehrlose Not produzieren!
Dazu stellt Robert Menasse fest: "Gewalt ist primitiv - auch wenn sie mit "intelligenten Waffen" ausgeübt wird -wobei dahingestellt sei, ob Waffen nicht erst dann als "intelligent" zu bezeichnen wären, wenn sie, statt willfährig jedem Idioten zu gehorchen, sagen könnten: "This war is stupid!"
Nicht wer die größere Keule hat, hat automatisch Recht! Wir sollten doch diese Steinzeitmentalität im 21. Jahrhundert doch überwunden haben!
Gewalt, wenn sie nicht der Notwehr entspringt, ist immer ein Symptom für Rückständigkeit! In diesem Sinne ist die jetzige Politik der USA rückständig und dient sehr zweifelhaften Zielen mit unabsehbaren Folgen!
Eine Folge dieses Krieges ist die erneute Spaltung der Europäer. Die Einteilung des amerikanischen Verteidigungsminister in "alte" - das heißt führ ihn schlechte - und "neue" Europäer greife ich gerne auf: Dann bekenne ich mich zum alten Europa und bekenne mich zu jener Entwicklung die Hugo Grotius, der Vater des Völkerrechts im 17. Jh. eingeleitet hat: Nicht die Macht des Stärken schafft Recht, heißt es dort!
Ich bekenne ich mich zu Robert Menasse, der schreibt: "Die europäische Politik ist nach den Erfahrungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Recht den Weg der Friedenspolitik gegangen, während die USA trotz ihrer Erfahrungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer noch auf militärische Eroberung und Absicherung ihrer Märkte und Ressourcen setzt."
Einst waren die USA Vorbild in der Umsetzung der Grundgedanken der Aufklärung, sie waren für Millionen Auswanderer aus Europa "hope", Hoffnung! Was ist daraus geworden? Heute hinkt das Land in vielfacher Hinsicht dem "alten Europa" nach! Sie sind ein Entwicklungsland hinsichtlich politischer Moral geworden!
Dass wir hier stehen, ist für mich ein Akt der Aufklärung und das heißt: Eintreten für Humanität und Recht. Und deshalb bin ich gegen diesen Krieg und protestiere mit meinen bescheidenen Mitteln dagegen! Wenn das viele tun, dann ändert sich vielleicht in der Zukunft doch etwas! Mit Krieg jedenfalls wird der Vordere Orient nicht demokratisiert werden- die Bush-Politik darf keine Zukunft haben!