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23.09.2011 / Forderung nach Deserteursdenkmal

Malin-Gesellschaft und Grüne treten für eine öffentliche Erinnerung an Wehrmachtsdeserteure und Wehrdienstverweigerer ein.


Johann-August-Malin-Gesellschaft

DIE GRÜNEN Bregenz

Mitteilung an die Medien

 

Bericht und Kommentar in den VN vom 24./25. Sept. 2011 ---> Link

 

Deserteursdenkmal

Historiker-Vereinigung und Grüne für öffentliche Erinnerung an Wehrmachtsdeserteure und Wehrdienstverweigerer

 

„Opfer der NS-Justiz wurden in Österreich schlechter behandelt als Täter“, begründet Malin-Gesellschaftsobmann Dr. Werner Bundschuh die Forderung nach einem Deserteursdenkmal im öffentlichen Raum. „Ein solches Denkmal hat die Funktion, das Unrechtsbewusstsein zu schärfen.“

„Wir schlagen einen Ort in der Landeshauptstadt Bregenz für ein Deserteursdenkmal vor“, so Vizebürgermeister Dr. Gernot Kiermayr. „Das könnte der Platz an der Seestraße zwischen Post und Kunsthaus sein, an dem das Anton-Schneider-Denkmal steht.“

 Alles Weitere entnehmen Sie bitte der Presseunterlage.

Dr. Werner Bundschuh
Obmann der Johann-August-Malin-Gesellschaft

Dr. Gernot Kiermayr
Vizebürgermeister der Landeshauptstadt Bregenz

 

Ab 29. September 2011 wird in Dornbirn die von der bundesdeutschen Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas konzipierte und für Österreich adaptierte Ausstellung "Was damals recht war - Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht" gezeigt.

Diese Ausstellung hat wesentlich dazu beigetragen, dass der österreichische Nationalrat am 21.10.2009 mit den Stimmen der SPÖ, der ÖVP und der Grünen das "Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz" beschlossen hat, mit dem österreichische Wehrmachtsdeserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz nun als pauschal rehabilitiert gelten.

Deserteure aus der verbrecherischen Okkupationsarmee - aus der deutschen Wehrmacht - waren nach 1945 in Österreich jahrzehntelang kein Thema. Die Verweigerung, an Hitlers Rassenkrieg teilzunehmen, blieb in der Nachkriegsgesellschaft unbedankt. Im Gegenteil: So genannte Fahnenflüchtige waren vielmehr mit Vorwürfen konfrontiert, sie hätten "Kameraden und Vaterland verraten", sie galten als Feiglinge oder gar als "Kameradenmörder".

Die 2. Republik hatte kein Problem damit, Kriegsverbrechern wie Walter Reder, der wegen Massenmordes zu einer lebenslangen Haft verurteilt war, eine Rente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz auszubezahlen. Sehr wohl jedoch bei den Versorgungsleistungen für Deserteure.

Die Situation war paradox: Während in Deutschland bereits in den Neunzigerjahren ein Umdenken in Hinsicht auf die Bewertung der Desertion aus der verbrecherischen Wehrmacht einsetzte, ließ die Rehabilitation in Österreich auf sich warten.

2002 gründete sich nach deutschem Vorbild eine Opfervertretung, das Personenkomitee "Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz". An der Spitze stand der Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani. Gleichzeitig erfolgte die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas durch eine Forschergruppe unter der Leitung von Univ. Prof. Walter Manoschek. Vorarlberger ForscherInnen spielten dabei eine wesentliche Rolle, unter anderen Hannes Metzler, Thomas Walter und Maria Fritsche. Nicht zuletzt ihrem unermüdlichen Einsatz ist es zu verdanken, dass letztlich auch in Österreich die Urteile der NS-Unrechtsjustiz aufgehoben wurden.

Der Dornbirner August Weiss desertierte mit 19 Jahren aus der Wehrmacht. Er war Ehrenmitglied der Johann-August-Malin-Gesellschaft, die sich seit den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts bemüht, die NS-Geschichte in diesem Land "aufzuarbeiten". Er verstarb 2008 und erlebte so wie die allermeisten die vollständige gesetzliche Rehabilitierung der Deserteure nicht mehr.

 

Der "Tag des Denkmals 2011" ist nun Anlass für die Johann-August-Malin-Gesellschaft und die Grünen, erneut die Forderung nach einem "Deserteurdenkmal" zu erheben.

In jeder der 96 Gemeinden des Landes gibt es ein Kriegerdenkmal, aber nirgends ein Denkmal, das an jene erinnert, die in einer verbrecherischen, fremden Wehrmacht aus den verschiedensten Gründen ihre angebliche Pflicht nicht erfüllt haben. Ein solches Denkmal ist ein wichtiger Schritt für die Erinnerungskultur in diesem Lande. Gesetzlich sind die Deserteure rehabilitiert, im Bewusstsein der Öffentlichkeit jedoch noch nicht: Das Wort Deserteur wird in bestimmten Kreisen immer noch als Schimpfwort verwendet.

Ein Deserteurdenkmal soll im Jahre 2013 auf Antrag der Grünen in Wien errichtet werden. Wir fordern, dass ein solches Denkmal hier errichtet wird. Es soll an jene Vorarlberger erinnern, die von der NS-Unrechtsjustiz zum Tode verurteilt wurden, wie z.B. Dr. Hermann Sinz aus Bregenz.

Am 13. November wird das NS-Opfer Provikar Lampert von der katholischen Kirche als "Glaubensmärtyrer" selig gesprochen. Dieser Akt könnte Anlass sein, auch der NS-Militärjustizopfer zu gedenken und sie entsprechend zu würdigen.

In einem Schreiben an alle Abgeordneten des österreichischen Nationalrats formulierte Richard Wadani es 2003 so: „Wir wurden und werden immer noch von bestimmten Kreisen als Landes- und Hochverräter, Eidbrüchige und Feiglinge bezeichnet. Mit einem Wort: Man will uns nicht verzeihen, dass wir nicht (länger) bereit waren für die Hitler-Wehrmacht zu kämpfen. Um Gerechtigkeit auszuüben, muss man die Wahrheit kennen. Die Wahrheit ist, dass wir aus keiner österreichischen Armee, sondern aus einer fremden, der Hitler-Armee, der Armee der Okkupanten desertiert sind bzw. nicht in ihr dienen wollten (…) Die Wahrheit ist, dass wir einen Beitrag zum Kampf gegen Hitlerdeutschland und somit für die Befreiung Österreichs geleistet haben. Bedauerlicherweise werden wir aber seit 1945 dafür diskriminiert."

Ein Denkmal könnte acht Jahre später dazu beitragen, dass sich diese Einstellung allmählich ändert! 66 Jahre nach dem Zusammenbruch des Hitler-Regimes ist es an der Zeit!

 

Der gemeinsame Vorschlag von Wissenschaft (Malin-Gesellschft) und Politik (Grüne) richtet sich an Land und Landeshauptstadt, weil die Erinnerung an das Unrecht gegenüber Deserteuren und Wehrdienstverweigerern ein landesweites Anliegen ist, das einen prominenten Ort braucht, an dem es sichtbar werden kann.

Aus Sicht der Landeshauptstadt würde sich der Platz zwischen Post und Kunsthaus, auf dem das Anton-Schneider-Denkmal steht, anbieten. Der bestechende Vorteil dieses kleinen, urbanen Platzes abseits der Verkehrshektik ist, dass er genügend Ruhe zum Gedenken und zur Auseinandersetzung mit dem Thema bietet.

Ein Denkmal für Deserteure und Wehrdienstverweigerer wären in unmittelbarer Nähe zu Anton Schneider ist bester Gesellschaft, weil auch Anton Schneider als Symbol des zivilen Ungehorsams gesehen werden kann.

Anlass die öffentliche Präsentation des Vorschlags ist einerseits die Deserteursausstellung „Was damals Recht war...“, die am 29. September im Kulturhaus Dornbirn eröffnet wird, und andererseits der „Tag des Denkmals“, die österreichische Variante des European Heritage Day am kommenden Sonntag, 25. September.

Wir werden den Vorschlag in den nächsten Tagen mit den Verantwortlichen des Landes (Kultur-Landesrätin Kaufmann) vertiefend diskutieren. Unser Koalitionspartner (Kulturstadträtin Reichart) ist informiert und hat Zustimmung signalisiert.

Es müssen verschiedene Umsetzungsfragen geklärt werden, insbesondere wie die Gestaltung angegangen werden soll, ob es einen offenen oder einen geladenen Wettbewerb geben soll, wie die Finanzierung erfolgen soll, wie ein Kommunikationskonzept aussehen sollte etc. Wir treten offen in die Diskussion über alle diese Fragen ein und gehen davon aus, dass das Land sich ernsthaft darauf einlässt.

Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus muss weiter geführt werden. Als erste Handlung hat die schwarz-grüne Bregenzer Stadtregierung im Jahr 2005 die Erinnerung an den NS-Bürgermeister Carl Solhardt zurechtgerückt und dessen Bild im Stadtvertretungszimmer durch eine Beschreibung seiner Haltung und politischen Rolle ersetzt. Die Erinnerung an Täter ist in den Gemeinden besonders schwierig, weil sie konkret ist – siehe die umfassende und konfliktreiche Aufarbeitung der Geschichte des Massenmörders Josef Vallaster in der Gemeinde Silbertal.

Mit unserem Vorschlag, in Bregenz ein Deserteursdenkmal zu errichten, möchten wir ein öffentlich sichtbares Zeichen gegen die Barbarei setzen.