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Werner Bundschuh (2007): Noch fehlen "Deserteurdenkmäler"...

Denkmäler sind Monumente sowohl der Erinnerung als auch der Verdrängung. Ein Beitrag zur Diskussion über den Umgang mit der Kriegs- und NS-Vergangenheit - anhand des Falles Vallaster in Silbertal.

Werner Bundschuh

Noch fehlen "Deserteurdenkmäler"...

 

Erschienen in: KULTUR, 22. Jg., Nr. 8, Okt. 2007, S. 46-49

 

Denkmäler sind politische Symbole. Sie sollen an etwas oder jemanden erinnern - und mit dieser Erinnerung wird notgedrungen eine selektive Wahrnehmung verbunden. Solche Denkmäler werden oft erst nach heftigen Auseinandersetzungen aufgestellt oder sie sind umstritten. In Vorarlberg existieren zwar in jeder Gemeinde "Kriegerdenkmäler", aber es fehlen "Deserteurdenkmäler".

Nach einem Entwurf des Künstlers Lothar Märk wird das "Kriegerdenkmal" bei der Pfarrkirche St. Karl in Hohenems saniert. Dafür wird die stolze Summe von 40.000 Euro locker gemacht. Neben der Fassadenrestauration ist auch "die Aufbringung von Jahreszahlen, welche beide Weltkriege markieren" (VN, 22.8.2007) vorgesehen.

Diese "Kriegerdenkmalrestaurierung" könnte Anlass sein, eine intensivere Debatte über die Formen des Gedenkens an die Opfer der beiden "Weltkriege" in diesem Land zu führen. Der Fall "Vallaster" hat gezeigt, wie notwendig eine solche Diskussion ist.

VN-Redakteur Seff Dünser hat mit seinen Artikeln über den Silbertaler NS-Massenmörder Josef Vallaster, dessen Namen auf dem Kriegerdenkmal aufscheint, im Juni die Gemüter erhitzt. Den Vogel bei den ungustiösen Spontanreaktionen auf die Recherchen von Dünser schoss dabei der Silbertaler Bürgermeister Willy Säly ab. Er stellte die Frage, ob es überhaupt erwiesen sei, "was da passiert sein soll." Er "zweifle daran". Und außerdem finde er es nicht gut, dass im Silbertal "in dieser Weise geschnüffelt wird". (VN, 21.6.2007). Die heftigen Reaktionen haben in der Folge dazu geführt, dass eine Expertengruppe um Bruno Winkler die unbestreitbaren Fakten im Fall Vallaster ausführlich dokumentieren wird. Dann soll auch die Frage geklärt werden, wie mit der Namensnennung auf dem "Kriegerdenkmal" weiter verfahren werden soll. Von einer Zusatztafel bis zur Namenstilgung reichen die Vorschläge.

Beeindruckend ist das VN-Interview mit Klaus Vallaster, dem Sohn des NS-Täters, der keinen Zweifel daran lässt, was sein Vater im Euthanasie-Mordschloss Hartheim und im KZ-Vernichtungslager Sobibor verbrochen hat. Er forderte eine intensive Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit, damit "das nie mehr passiert". Auf die Frage, wie es möglich sei, dass sein Vater heute in der breiten Öffentlichkeit in Vorarlberg unbekannt ist, antwortete er: "Das ist wohl sehr verdrängt worden, so wie anderswo die NS-Vergangenheit auch. Die Aufarbeitung läuft nicht nur in Vorarlberg jetzt erst richtig an."

Es ist eine Binsenweisheit: Den Geist einer Epoche erkennt man an den Denkmälern, die sie hervorgebracht hat. Sie sind sowohl Monumente der Erinnerung als auch der Verdrängung - und sie sind stets mit Emotionen verbunden. Und deshalb werden sie weniger an den tatsächlichen historischen Ereignissen gemessen denn an den Empfindungen, die sie hervorrufen. Und die Aufstellung von Denkmälern im öffentlichen Raum ist interessengeleitet. Dabei stellt sich immer die Frage, welche Interessen dahinter stehen.

Die Erinnerungskultur einer Gesellschaft bildet einen Zusammenhang mit den moralischen Grundlagen einer Gesellschaft. Sie bringt demnach zum Ausdruck, welche ethischen Leitvorstellungen in einer Gemeinschaft, in einer Nation als verbindlich erachtet werden. Die Art und Weise, in der Gruppen oder Gesellschaften mit ihren Vergangenheiten umgehen, macht zweifellos einen wesentlichen Teil ihrer Kultur aus.

Die Grazer Historikerin Heidemarie Uhl, die sich in den letzten Jahren intensiv mit der österreichischen Denkmalkultur auseinandergesetzt hat, zeigt in ihren zahlreichen Arbeiten auf, dass Denkmalsetzungen in erster Linie eine Frage der gesellschaftlichen Hierarchien und Machtverhältnisse sind. In Hinblick auf Kriegerdenkmäler stellt sie die Leitfrage, "warum Kriegerdenkmäler wie selbstverständlich in die dörfliche und kleinstädtische Gedächtnis- und Erinnerungslandschaft integriert sind, während die Gedenkstätten für den österreichischen Freiheitskampf und die Opfer der NS-Gewaltherrschaft außerhalb der urbanen Zentren nur in wenigen Bereichen Fuß fassen konnten." Kriegerdenkmäler wirken dabei in zweierlei Hinsicht: Sie dienen als Ort und Ausdruck der Trauer an die Kriegstoten und als Interpretation und versuchte Sinnstiftung für das gewaltsame Geschehen, dem sie zum Opfer gefallen sind. Die Interpretation allerdings kann sich im Laufe der Zeit ändern: Das Sterben für "Gott, Kaiser und Vaterland" oder "den Führer" sollte heute jedenfalls ein kritisches Nachdenken und Reflektieren auslösen!

Wer allerdings die Gestaltung, den Gedenktafeltext oder den Bezeichnung der bestehenden "Kriegerdenkmäler" hinterfragt, kommt rasch in den Geruch der "Bilderstürmerei" - wie die "Grünen" (die "Bürgerliste") im Jahre 1989 in Salzburg. Diese Gruppierung löste damals einen veritablen Konflikt mit dem "Kameradschaftsbund" aus, als sie eine Änderung des Kriegerdenkmaltextes auf dem Salzburger Kommunalfriedhof forderte. Stein des Anstoßes war ein "Heimat"-Gedicht von Anton Pichler, das unter dem Text "Allen die für die Heimat starben 1914 - 1918 und 1939 - 1945" angebracht war. Die "Grünen" stellten damals fest, dass Kriegerdenkmäler prinzipiell "eigentlich den Zweck hätten, die Greuel, Leiden und Opfer von Kriegen zu beklagen und als Mahnmäler zu dienen. Kriege kennen nur Opfer. Diese Zerstörung, Leiden und Opfer werden vollständig negiert. Diese Haltung trägt dazu bei, dass Kriege als notwendige schicksalhafte historische Ereignisse betrachtet werden und der Heldentod auf dem Schlachtfeld als nächste Vaterlandspflicht erscheint." Die schließlich eingesetzte Historikerkommission machte drei zentrale Vorschläge:

  1. Die Zeitangaben 1914 - 1918 und 1939 - 1945 auf dem Denkmal in Verbindung mit dem Wort "Heimat" seien aus grundsätzlichen Überlegungen heraus zu tilgen. Der Text in Verbindung mit den Jahreszahlen suggeriere, dass diese Kriege "Verteidigungskriege" gewesen seien, die Österreich habe führen müssen. Vor allem beim Zweiten Weltkrieg könne davon keine Rede sein: Ein Eroberungskrieg des "Großdeutschen Reiches" sei keine Verteidigung der "Heimat"! Mit solchen Formulierungen werde die historische Verantwortung auf den Kopf gestellt. Der verbrecherische "Rassekrieg" in Osteuropa z.B. könne nicht unter "Verteidigung der Heimat" subsumiert werden.
  2. Die Anbringung einer mahnenden Zusatztafel, die aus dem Kriegerdenkmal eindeutig ein "Friedensdenkmal" mache, sei wünschenswert.
  3. Außerdem solle ein Denkmal, das explizit an den NS-Widerstand und an die NS-Verfolgung erinnere, aufgestellt werden.

Die Historiker Haas/Kerschbaumer schlugen außerdem vor, "Kriegerdenkmäler" mit einer Aufschrift etwa der folgenden Art zu versehen: "Am Ende eines Jahrhunderts der Kriege wissen wir, dass unsere Zukunft im Frieden liegt".

Der Denkmal-Traditionsbezug in Österreich ist historisch ein anderer. Die "Kriegerdenkmäler" knüpfen an die "Heldenverehrung" nach dem Ersten Weltkrieg an. Die Katastrophe des Ersten Weltkrieges brachte mit den Massenschlachten auch ein Massensterben, das heute auf den Gefallendenkmälern immer noch euphemistisch umschrieben wird: "Gefallen für die Heimat 1914 - 1918". Gedenkstätten wie jene von Fritz Wotruba in Leoben-Donawitz (1932), die ausdrücklich als "Anti-Kriegsdenkmäler" konzipiert wurden, sind in der österreichischen Gedenklandschaft die absolute Ausnahme. Und die Erinnerung an die NS-Opfer konnte sich im öffentlichen Raum im Wesentlichen erst in den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts einen gewissen Platz verschaffen. Oft allerdings nach heftigen öffentlichen Debatten.

Vorarlberg bildet keine Ausnahme. Hier dominieren nach wie vor unhinterfragt "Kriegerdenkmäler", sie verkörpern die "Normalkultur". Erinnerungstafeln wie jene für das NS-Opfer Johann August Malin in Satteins (2002) sind immer noch die Ausnahme. Es dauerte allerdings sechs Jahrzehnte bis die Gemeinde bereit war, dieses NS-Opfers in Form einer Tafelanbringung zu gedenken.

Nur ein Beispiel für die Schwierigkeiten bei der Errichtung eines NS-Gedenksteins sei in Erinnerung gerufen: Ein besonderer Konfliktfall um eine Tafelanbringung gab es in Dornbirn. Dort dauerte die Aufstellung eines "würdigen Gedenksteins" fünf Jahre - von 1988 bis 1993. Und trotz intensivster Bemühungen, im Gemeinderat eine gemeinsame Lösung zu finden, stimmte die FPÖ schließlich nicht zu. Problempunkte bei dieser Gedenksteindiskussion waren: a) die Frage der "Deserteure" und b) die Angst davor, dass sich "homosexuelle Opfer" unter den Geehrten befinden könnten.

Am 14. November 1988 - im Zuge des sogenannten "Bedenkjahres" - überreichte der damalige Obmann der Malin-Gesellschaft, Harald Walser, dem Dornbirner ÖVP-Bürgermeister Rudolf Sohm in Anwesenheit von Pressevertretern eine Gedenktafel mit den Namen von elf nachweislichen NS-Opfern. Der Bürgermeister versprach ad hoc, "die Gedenktafel an einem würdigen Ort in der Stadt anzubringen". Doch diese Zusage wurde nicht eingehalten, und es begann ein fünfjähriges Tauziehen, das heftige öffentliche Diskussionen auslöste.

In der Stadtvertretungssitzung vom 24. November 1988 brachte ÖVP-Vizebürgermeister Dipl. Ing. Wolfgang Rümmele namens seiner Fraktion einen Antrag ein, in dem es hieß: "Als bleibendes Mahnmal und als dauernde Erinnerung und Aufforderung zur Versöhnung wird vorgeschlagen, einen Gedenkstein für die Ermordeten, die Kriegsgefallenen, die Verwundeten aus Dornbirn und die Toten aus ganz Europa aufzustellen." Der ÖVP schwebte also eine Art "Kriegerdenkmal" mit der Einschließung aller Kriegsopfer vor. Dies bedeutete eine völlige Verkennung der Absichten der Tafelüberbringer. Der Antrag der SPÖ-Fraktion, die Verleihung einer posthumen Ehrenbürgerschaft für die auf der Tafel genannten Frauen und Männer auf die Tagesordnung zu setzen, um "im Gedenkjahr 1988 eine bleibende Erinnerung für die kommenden Generationen zu setzen", wurde abgelehnt. Nach Verhandlungen wurde ein von allen Parteien beschicktes Gremium installiert, um "der Stadtvertretung eine gemeinsame, von allen getragene Form der Würdigung für alle Dornbirner Opfer des Nationalsozialismus" vorzuschlagen. Die Stadt beauftragte eine Historikerkommission - bestehend aus den beiden Innsbrucker Zeitgeschichtlern Thomas Albrich und Michael Gehler sowie Meinrad Pichler von der Johann-August-Malin-Gesellschaft -, den Opferbegriff zu klären und die Namen auf der Tafel zu überprüfen.

Die endgültige Opferliste lag im Rathaus mehrere Monate zur Einsichtnahme auf, um der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, zusätzliche Namen zu nennen und mögliche Belege, die den Opferstatus untermauern konnten, beizubringen. Als Text wurde schließlich von ÖVP, SPÖ und der "Bürgerliste" folgender Vorschlag akzeptiert:

"Friede-Menschenwürde-Toleranz

Zur Erinnerung an alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Dornbirn, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft wurden, die in Konzentrationslagern und Gefängnissen gelitten haben, die ausgegrenzt und verfolgt wurden. Den wehrlosen Opfern der Euthanasie und den Ermordeten von Widerstand und Verfolgung. (Namen:)."

Die FPÖ stimmte nicht zu. Der Historiker Reinhard Bösch (damals FPÖ-Bundesrat) forderte namens seiner Fraktion: 1. Nennung der Kriegsopfer (Gefallenen) und der politischen Opfer auf einer Tafel. 2. Keine Namensnennung. Sein Gegenvorschlag lautete: "In Ehrfurcht gedenkt die Stadt Dornbirn der Opfer des Krieges und der politischen Gewalt." Gemeinsam wurde beschlossen, einen "Fond für Völkerverständigung und Toleranz" einzurichten.

Der Endbericht der "Historikerkommission" lag am 28. Mai 1991 vor. Die technische Realisation dauerte dann jedoch noch weitere zweieinhalb Jahre. Am 26. 11.1993 konnten die "Vorarlberger Nachrichten" schließlich melden: "Schlußstrich unter Gedenksteindebatte? Mit einer Gedenkfeier zog das offizielle Dornbirn... einen Schlußstrich unter die endlose Debatte um die Aufstellung eines Mahnmals für Opfer des Nationalsozialismus."

NS-Opfergedenkstein in Dornbirn

In Langenegg wurde vor einiger Zeit an der Friedhofsmauer neben dem Kriegerdenkmal eine Tafel "Heimatopfer" angebracht. Auf ihr stehen die Namen Robert Bader, Inozenz Bader (sic), Otto Bechter, Martin Gmeiner, Josef Nussbaumer und Adolf Schwärzler. Keine weitere Erläuterung, worin die "Heimatopfer" bestanden. Diese Männer versuchten Anfang Mai 1945, die Ortschaft durch persönlichen Einsatz vor der Zerstörung durch Waffen-SS-Einheiten zu bewahren. Wolfgang Weber hat in seinem Aufsatz "Egalité, Fraternité ou Liberté? Frankreich, Vorarlberg und die Jahre der Befreiung und Besatzung 1945-1948" aufgezeigt, wie Landeshauptmann Ulrich Ilg bereits im Oktober 1945 bei einer Gedenkansprache jene Linie vorgegeben hat, die das Land im Umgang mit den NS-Opfern in den folgenden Jahrzehnten prägte: Ilg zog in seiner Ansprache eine Parallele zwischen den Langeneggern Widerstandskämpfern und jenen Vorarlbergern, die von 1939 bis 1945 als Soldaten der Deutschen Wehrmacht eingezogen waren (S.105). Er verwischte die Grenzen zwischen Opfern und Tätern, suggerierte, dass "das Böse" von außen gekommen sei und leistete der "Opferthese" Vorschub.

Gedenktafel Langenegg

Das Verschweigen österreichischer Mitverantwortung für den Nationalsozialismus war nach 1945 eine ideologische Grundkonstante, die sich in Denkmälern wie in Langenegg widerspiegelt: Solche Tafeln verschweigen die Täter, sie bleiben nebulos und leisten keinen erhellenden Beitrag zur kritischen historischen Reflexion.

Der Abschied von Kaplan Emil Bonetti (gest. 2007), Träger des Landesehrenzeichens in "Gold", könnte Anlass sein, ernsthaft über die Errichtung eines "Deserteurdenkmals" - vielleicht vor dem "Haus der jungen Arbeiter" - nachzudenken. Bei allen Nachrufen wurde diese Facette des Lebens von Kaplan Bonetti ausgeblendet: Er war ein "Deserteur" aus einer deutschen Wehrmacht, die nicht die seine war. Als "Zeitzeuge" hat er in den letzten Jahren bei Veranstaltungen den Jugendlichen immer wieder zu vermitteln versucht, wie wichtig es ist, einem verbrecherischen Regime die Stirn zu bieten, nein zu sagen, seine vorgebliche "Pflicht" nicht zu tun. Auf einem solchen "Deserteur-Denkmal" könnten dann auch Namen wie jener des Bregenzer Dr. Hermann Sinz stehen, der als Offizier am 15.3.1944 in Borisow (Russland) wegen "Zersetzung der Wehrkraft" hingerichtet wurde.

Ein ganz wichtiges Zeichen ist die Gedenktafelanbringung für den Wehrdienstverweigerer Ernst Volkmann in Bregenz. Am 23. September 2007 wurde an der Stadtpfarrkirche St. Gallus vis à vis vom Kriegerdenkmal eine Gedenktafel angebracht, die an den "Vorarlberger Jägerstätter" erinnert. Ernst Volkmann verweigerte aus christlicher Überzeugung und als österreichischer Patriot den Fahneneid auf Adolf Hitler. Er wurde deshalb am 9. August 1941 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Er sah in der Wehrdienstleistung "eine Vergewaltigung seiner sittlichen Freiheit zur Verteidigung des Nationalsozialismus." In der Einladung zur Gedenkfeier heißt es: "Ernst Volkmann wurde am 3. März 1902 in Schönbach an der Eger (Böhmen) geboren und ließ sich 1924 in Bregenz nieder, wo er nach seiner Heirat 1930 mit seiner Familie lebte und als Instrumentenmacher arbeitete. Ernst Volkmann wird am Kriegerdenkmal als Gefallener des Jahres 1941 angeführt. Dies ist bezeichnend dafür, wie man nach dem Krieg mit dem Andenken jener umging, die den Wehrdienst verweigert haben oder als Soldaten aus anderen Gründen zum Tod verurteilt worden sind. Ihr Schicksal wurde schamhaft verschwiegen."

In ihrem Buch "Entziehungen. Österreichische Deserteure und Selbstverstümmler in der Deutschen Wehrmacht" hält Maria Fritsche im Vorwort ein Plädoyer für eine kritische Distanz zum Militarismus und sie lehnt darin die Verherrlichung von "kriegerischem Heldentum" als männerspezifische Zugangsweise zum Grauen eines Krieges strikt ab. Sie schreibt: "Als Frau, die von der Wehrdienstpflicht als `Schule der Männlichkeit` ausgeschlossen ist, und als Mitglied einer Generation, die den Krieg nicht miterlebt hat und dem Militär weitgehend skeptisch gegenübersteht, fehlt mir grundsätzlich jeglicher Bezug zum Soldatentum. Manche Menschen betrachten diesen Mangel an persönlicher Erfahrung als Hindernis für eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Thematik des Militärs bzw. mit der Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Omer Bartov hat in einem Aufsatz dafür plädiert, diese Distanz zu Militär und Krieg nicht als Manko zu sehen, sondern als Chance für einen differenzierten und innovativeren Umgang mit militärgeschichtlichen Themen zu nutzen."

Diese Forderung könnte auf die Denkmallandschaft insgesamt ausgeweitet werden. Eine kritische Durchleuchtung aller "Kriegerdenkmäler" in unserem Land steht an und würde zu einer Veränderung der Erinnerungskultur führen.

Im November findet wieder das "Carl-Lampert-Symposium" statt. Bei dieser Tagung wird nicht nur an die Hinrichtung von Provikar Lampert, dessen Seligsprechung ansteht, erinnert, sondern auch an jene von Anna Maria Hölzlsauer. Auf Grund einer Denunziation wurde die aus Graz stammende und in Kennelbach wohnhafte Hilfsarbeiterin angeklagt, verurteilt und am 19.5.1944 in Berlin-Charlottenburg hingerichtet. In der Anklageschrift des "Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof" heißt es, sie werde beschuldigt, "im Oktober 1943 in Rieden aus ihrer kommunistischen Einstellung heraus durch Verunglimpfung des Führers, durch hetzerische Äußerungen über die Partei und Verherrlichung des Kommunismus zwei deutsche Frauen in ihrem Glauben an die Führung irre zu machen und gegen diese aufzuwiegeln versucht, somit die Wehrkraft des deutschen Volkes öffentlich zu zersetzen gesucht und die Feinde des Reiches begünstigt zu haben". Anna Hölzlsauer, Arbeiterin bei den Bayerischen Leichtmetallwerken in Lochau, soll unter anderem gesagt haben: "Hitler ist der größte Lump und Gauner. Er zieht uns ins Elend hinein." Gebührt ihr aus heutiger Sicht nicht ein Denkmal, eine Erinnerungstafel in Kennelbach? Konsens dürfte darüber bestehen, dass die beiden "gut bürgerlichen" Denunziantinnen, die als Zeuginnen der Anklage aufscheinen, kein Denkmal erhalten.

Ob die Errichtung eines Hemingway-Denkmals in Schruns unter den jetzigen Rahmenbedingungen sinnvoll ist, sei dahingestellt. Grundsätzlich gilt: Ein Autor, der sich mit Kriegsverbrechen brüstet - auch wenn er sie nicht begangen hat - verdient heute kein Denkmal mehr - auch wenn er Nobelpreisträger ist und als Prahlhans bekannt ist. In der Revisionistenszene werden Hemingway-Zitate genüsslich ausgeschlachtet: So schildert Hemingway offenbar in einem Brief vom 27. August 1949 an den US-Verleger Charles A. Scribener stolz, wie er einen gefangenen Soldaten der Waffen-SS mit seiner Pistole erschossen habe. Dieser habe sich geweigert, militärischer Geheimnisse zu verraten und habe sich auf die Genfer Konvention berufen. "Du irrst Dich Bruder, sagte ich zu ihm und schoß ihm dreimal schnell in den Bauch, und dann, als er in die Knie ging, schoß ich ihm in den Schädel, so daß ihm das Gehirn aus dem Mund kam, oder aus der Nase, glaube ich."

In weiteren Briefen und Äußerungen brüstete er sich damit, 122 deutsche Soldaten getötet zu haben. Hier wird die "Angeberei" so offensichtlich, dass sie absurd wird. Dennoch:

Die Stadt Triberg im Schwarzwald hat nach öffentlichem Druck und einem Gerichtsurteil 2002 die Hemingway-Tage abgesagt.

Der "rechten Szene" kommt die Hemingway-Debatte sehr gelegen: Sie lenkt vom heimischen Massenmörder Vallaster ab, er wird mit dem US-Schriftsteller auf eine Ebene gestellt. Das ist natürlich völliger Unsinn!

Abschließend noch ein konstruktiver Denkmal-Vorschlag: Wie wäre es, wenn die Vorarlberger Illwerke AG ihre historiscn Form eines Denkmals auf der Silvretta dokumentieren und somit einen Beitrag zur historischen Bewusstseinsbildung leisten würde?

Es fehlen in Vorarlberg u.a. "NS-Befreiungsdenkmäler", "Anti-Kriegsdenkmäler", "Antifaschismusdenkmäler" oder - sehr wünschenswert - "Friedensdenkmäler" auf jedem Friedhof. Solche Denkmäler könnten einen Beitrag zur kritischen Hinterfragung der "üblichen Kriegerdenkmäler" leisten und böten Ansatzpunkte für die politische Bildung. Vorschlag: In jeder Gemeindestube dieses Landes sollte umgehend der Antrag eingebracht werden, ein solches "Alternativdenkmal" auf Gemeindegrund zu errichten. Die Debatten darüber müssten in einem Band gesammelt werden. Die Gemeindestubenbeiträge würden eine sehr eindrückliche Standortbestimmung der politischen Kultur in diesem Lande bieten.