Werner Bundschuh: Bestandsaufnahme: Heimat Dornbirn 1850-1950

Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs, Band 8. 1990, 352 Seiten (vergriffen)

 

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Vorarlberger Landesbibliothek

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Vor 80 Jahren vollzog sich in Dornbirn ein entscheidender Wandel. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Deutschliberalen aufgrund des Wahlrechtes, das die begüterte Schicht bevorzugte, den Ton angegeben und mit Dr. Johann Georg Waibel einen Langzeitbürgermeister gestellt. 1910 übernahmen die Christlichsozialen die Macht in der Gemeinde. Seit diesem Zeitpunkt ist Dornbirn - unterbrochen nur durch die nationalsozialistische Ära - eine "schwarze" Stadt.

Die Textilfabrikanten - zum überwiegenden Teil deutschnational/nationalsozialistisch - blieben jedoch die eigentlichen Herren in der Stadt. Nach dem Desaster des "Dritten Reiches" gab es eine Aussöhnung. Allerdings gingen nur wenige "Ehemalige" wieder in die Politik. Sie verlegten ihre Aktivitäten hauptsächlich in den wirtschaftlichen Bereich. 1949 wurde die "Dornbirner Export- und Mustermesse" gegründet.

In der traditionellen Geschichtsschreibung stehen die "Textilbarone" im Vordergrund. Von Not, Hunger und Elend ist den "Heimatbüchern" kaum die Rede. Doch: Nicht alle waren in dieser Stadt stets "so gut versorgt", wie es offizielle Darstellungen und Firmenbücher glauben machen wollen.

 

Inhalt


Vorwort 7

Einleitung 8
1. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis zum Ende der Monarchie (1918) 15

1.1. Ökonomische und soziale Rahmenbedingungen 15

   1.1.1. Dornbirn wird Textilzentrum 15

   1.1.2. Viele Arme, wenige Reiche: soziales Konfliktpotential 22

1.2. Anfänge des Parteienwesens 40

1.3. Die liberale Ära (1867 bis 1910) 49

1.4. Der Machtwechsel 1910: Dornbirn wird "schwarz" 103
2. Zusammenbruch der alten Ordnung: von der Monarchie zur Republik 115

2.1. "Ja, Majestät, hier ist es gut versorgt!" 115

2.2. Schlechte Startbedingungen in der Republik 124

2.3. Das Wahljahr 1919 135
3. Demokratisches Zwischenspiel: die Erste Republik 143

3.1. Demokratie mit ungleichen Lebensbedingungen 143

3.2. Die führende Kraft: der politische Katholizismus 153

3.3. Gemeinderatswahlen 1924 und 1929 166
4. "Austrofaschismus" - Kampf zwischen Haken- und Kruckenkreuz 170

4.1. Wirtschaftliche und soziale Situation während der dreißiger Jahre 170

4.2 Eine "neue Demokratie"? - Die Errichtung der austrofaschistischen Diktatur 179

4.3 "Nationale Befriedung"? - Arrangement mit den Nationalsozialisten 207
5. Daheim im Reich 214

5.1. "Sieg" und "Abrechnung" 214

5.2. Nicht alle profitieren... 221

5.3. Opfer des Nazi-Terrors 232
6. Ausblick: Anfänge der Zweiten Republik 240
7. Zusammenfassung 259
8. Anmerkungen 265
9. Abkürzungen 328
10. Quellen-, Literatur- und Bildverzeichnis 329
11. Register 349

 

Leseprobe

Während des Ersten Weltkrieges besuchten Kaiser Karl und seine Frau Zita Dornbirn. Der Herrscher wandte sich dabei mit den Worten "Ich glaube, hier ist es gut versorgt!" an eine der Empfangsdamen. "Ja, Majestät, hier ist es gut versorgt!" war die pflichtschuldige Antwort.

Die Wirklichkeit sah anders aus: Während den Landwirten und begüterten Bürgern - allen voran den "Textilbaronen" - ärgere Entbehrungen erspart blieben, mußten breite Bevölkerungsschichten in der Vorarlberger Industriemetropole buchstäblich hungern. Vor allem die Arbeiterschaft und die Lohnabhängigen litten in der "Gartenstadt" unter der miserablen Wirtschaftslage. Trotz der staatlichen Reglementierungen waren die Güter des täglichen Bedarfs ungleich verteilt. Auch damals regierte das Geld - so der christlichsoziale Stadtchronist Martin Natter - "alles, die ganze Welt". Dornbirn machte keine Ausnahme.