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Kurt Bereuter (2021): Rankweil erkennt Natalie Beer den Ehrenring der Gemeinde "symbolisch" ab, das Land Vorarlberg bleibt zweifach säumig.

Der Konflikt um die Schriftstellerin Natalie Beer, die bis ins hohe Alter aus ihrer Sympathie für den Nationalsozialismus kein Hehl machte, hat zu einer Konsequenz geführt - zur posthumen Aberkennung des Ehrenrings von Beers Heimatgemeinde Rankweil. Die Vorarlberger Landesregierung wird sich nun auch bewegen müssen.


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Erschienen in: KULTUR – Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, Nr. 7/2021, September 2021, S. 48-50

 

Nachdem die SPÖ Rankweil vor drei Jahren einen Antrag in die Gemeindevertretung von Rankweil zur „Ehrenringträgerschaft Frau Prof. Natalie Beer“ einbrachte, hat die Gemeindevertretung am 6. Juli 2021 den einstimmigen Beschluss gefasst, Natalie Beer den Ehrenring der Gemeinde abzuerkennen: "Aufgrund der vorliegenden Informationen, insbesondere der im Forschungsbericht von Nikolaus Hagen erfolgten Zusammenfassung, beschließt die Gemeindevertretung (einstimmig), Natalie Beer den Ehrenring der Marktgemeinde Rankweil abzuerkennen. Gleichzeitig soll eine Anregung an den Vorarlberger Landtag erfolgen, eine posthume Aberkennung von Ehrenzeichen im Auszeichnungs- und Gratulationsgesetz (AGG) rechtlich zu regeln. Das im Rahmen einer permanenten Ausstellung im Turmzimmer präsentierte literarische Schaffen der Schriftstellerin Natalie Beer soll durch eine detaillierte biographische Beschreibung ihrer Person, die auch die Verbundenheit mit dem Gedankengut des Nationalsozialismus bis ins hohe Alter thematisiert, ergänzt werden. Außerdem soll eine Gedenktafel für alle Opfer des Nationalsozialismus in der Gemeinde installiert werden."

Aberkennung nur symbolisch

Dieser einstimmige Beschluss wird nun vielen Zeithistorikern und zeitgeschichtlich interessierten Menschen Hochachtung abverlangen. Schwer wiegt jedoch die Tatsache, dass die Gemeinde Rankweil ihrer Ehrenbürgerin den Ehrenring gar nicht aberkennen kann, da die Prüfung der Gemeinde beim Land Vorarlberg ergab, dass eine posthume Aberkennung von Ehrungen im AGG nicht geregelt ist, "da mit dem Tod alle persönlichen Rechte erlöschen, sieht das Vorarlberger AGG eine Aberkennung nur zu Lebzeiten vor". Eine posthume Aberkennung der Ehrung von Natalie Beer per Gemeindevertretungsbeschluss hat somit "nur" "einen klaren symbolischen Charakter", wie es in der "Kurzbeschreibung Projekt/Vorhaben" zum TOP "Natalie Beer, weitere Vorgehensweise" in der Gemeindevertretungssitzung hieß. Konsequenterweise wird die Marktgemeinde Rankweil nun vier weitere Schritte setzen, wie Natalie Wojtech von der Gemeinde erklärt. Erstens wird die Bevölkerung in geeigneter Weise von diesem Beschluss informiert, zweitens soll es eine briefliche Anregung an den Vorarlberger Landtag zur Gesetzesadaption geben. Drittens muss nun das zu Ehren Natalie Beers eingerichtete Turmmuseum beim Westfriedhof adaptiert werden und viertens soll mit Gemeindearchivar Norbert Schnetzer ein Projekt aufgestellt werden, an dessen Schluss eine Gedenktafel für die Rankweiler Opfer des Nationalsozialismus steht. Rankweil harrt ja noch immer der umfassenden historischen Aufarbeitung der eigenen NS-Vergangenheit, einmal abgesehen von der unheilvollen Geschichte der "Valduna", auf ihrem Gemeindeboden. Insofern ist es auch noch zu hinterfragen, ob der Satz "Das literarische Schaffen soll weiterhin gewürdigt werden und die permanente Ausstellung im Turmzimmer um den Aspekt der Person der Natalie Beer und ihrer Nähe zum Nationalsozialismus ergänzt werden" so stehen bleiben kann. Konsequenterweise muss auch ihr literarisches Schaffen unter oder vor dieser Ideologie gesehen und beleuchtet werden, denn gerade in ihrem Fall lässt sich das nicht so einfach trennen.      

Keine Gesetzesänderung in Vorarlberg

Und wie verhält sich nun das Land Vorarlberg, das Natalie Beer 1975 das Silberne Ehrenzeichen verliehen hatte, nachdem jetzt die Gemeinde Rankweil diesen Schritt gesetzt hat und auch eine Aufforderung zur Gesetzesänderung an den Landtag richten wird?

Landesstatthalterin Bettina Schöbi-Fink erklärte, dass diese Thematik in der Landesregierung behandelt wurde und sie zum Schluss gekommen seien, das Gesetz nicht zu ändern. Obwohl sie noch für die Mai-Ausgabe, auf die Gesetzeslage angesprochen, erklärte, dass die Landesregierung den Sachverhalt prüfen und dann entscheiden werde. Im Mai war sie noch überzeugt, dass es überschaubar klinge, die gesetzlichen Anforderungen für eine posthume Aberkennung zu erfüllen. Für sie persönlich hatte es sich schon als sehr schwierig dargestellt, so ein Ehrenzeichen aufrecht zu erhalten. Nun die Kehrtwende. Einerseits sei diese Würdigung mit dem Tod erloschen, andererseits müsse man sich darauf einstellen, dass es auch Auszeichnungen geben könnte, die ambivalent beurteilt werden könnten und die dann nicht so eindeutig zu behandeln wären, wie das im Falle von Natalie Beer fraglos sei. Bei Letzterer seien sich alle einig gewesen. Die Haltung der Landesregierung beschreibt sie dann so: Ja, die Auszeichnung war ein Fehler, ja, die Auszeichnung würde nicht mehr geschehen und ja, Natalie Beer ist kein Grenzfall - aber die würde es vermutlich geben. Also sei keine Gesetzesänderung vonseiten der Landesregierung angedacht, um solchen Diskussionen um die Aberkennung von Würdigungen, bei denen es ja oftmals um Gesinnung gehe, zu ermöglichen.

Abgesehen davon, dass solche Diskussionen für ein kulturelles und politisches Leben von Nutzen sind, man denke nur an die Diskussion um die Vergangenheit von Alt-BP Kurt Waldheim, werden sie so oder so (hoffentlich) stattfinden und die Diskussion um die Gesetzesänderung wird von Neuem losgehen. Das Land Vorarlberg bleibt also zweifach säumig. Einerseits weil sie den Beschluss der GV von Rankweil nicht gesetzlich ermöglichen, und zum anderen, weil das Land Vorarlberg die seinerseits vergebene Würdigung nicht aberkennt.   

Und wie machen es die anderen Länder?

Andere Bundesländer wie Oberösterreich, Salzburg oder Tirol haben diesem Anliegen durch eine kleine Änderung entsprochen. Zumal in Oberösterreich ansonsten Adolf Hitler noch immer Ehrenbürger von Braunau wäre. Eingefügt wurde dort im Jahre 2012 der § 3a im Gesetz über das Ehrenzeichen des Landes Oberösterreich wie folgt: "Werden später Tatsachen bekannt, die einer Verleihung des Ehrenzeichens entgegengestanden wären, oder setzt die oder der Ausgezeichnete nachträglich ein Verhalten, das einer Verleihung entgegenstünde, so ist das Ehrenzeichen von der Landesregierung abzuerkennen und von der bzw. dem Ausgezeichneten zurückzustellen. Nach dem Ableben der ausgezeichneten Person kann das Ehrenzeichen aberkannt werden, wenn später Tatsachen bekannt werden, die einer Verleihung des Ehrenzeichens entgegengestanden wären; eine Verpflichtung zur Rückgabe des Ehrenzeichens durch die Erben ist damit nicht verbunden.“

Mit einer solchen gleichlautenden und kleinen Gesetzesänderung würde der Landtag die Aberkennung des Ehrenringes an Natalie Beer nicht nur ermöglichen, sondern auch den einstimmigen! Beschluss der Gemeindevertretung von Rankweil würdigen und legalisieren. Gleichzeitig könnte auch das Land Vorarlberg selber die Aberkennung des Silbernen Ehrenzeichens an die bis zu ihrem Tod treue Nationalsozialistin ermöglichen.

Von Seiten der Bundespräsidenschaft, bei der es um die Verleihung des Professorentitels an Natalie Beer ging, hakte ich nochmals nach, es ginge ja auch um das Ansehen der Republik, und der zuständige Leiter der "Gruppe Recht" in der Präsidentschaftskanzlei, Dr. Georg Frölichsthal eh. antwortete: "Sehr geehrter Herr MMag. Bereuter! Auf Ihr ergänzendes Schreiben vom 15. April d.J. kann ich Ihnen Folgendes mitteilen: Im Bundeskanzleramt wurde vor einiger Zeit der Entwurf eines „Bundes-Ehrenzeichengesetzes“ erarbeitet, der unter anderem auch die posthume Aberkennung verliehener Ehrenzeichen ermöglicht. Dieser Entwurf ist auch der Präsidentschaftskanzlei zur Kenntnis gebracht worden, und die Präsidentschaftskanzlei hat sich zu dem gesamten Vorhaben – und damit auch zur Möglichkeit der posthumen Aberkennung – positiv geäußert. Der Präsidentschaftskanzlei war darüber hinaus klar, dass – eine entsprechende Beschlussfassung des neuen Bundes-Ehrenzeichengesetzes vorausgesetzt – die vom Bundespräsidenten auf Grund eines Vorschlages der Bundesregierung zu erlassende Berufstitelentschließung vergleichbar novelliert werden sollte. Der Herr Bundespräsident hat aber keine Möglichkeit, den weiteren Weg der Gesetzwerdung des erwähnten Entwurfes zu beschleunigen. Dies ist zunächst Angelegenheit des Bundeskanzleramtes, dann der Bundesregierung und schließlich des Nationalrates."

Kurz gesagt, das Bundeskanzleramt wäre am Zug und hätte die volle Unterstützung des Bundespräsidenten und würde es auch ihm ermöglichen, den Professorentitel der Natalie Beer posthum abzuerkennen. Auf dieser Ebene gilt es also, weiter abzuwarten und darauf zu vertrauen, dass weitere Bundesländer - Vorarlberg wäre am Zug gewesen - hier nachziehen und die Bundesregierung damit zum Handeln wenigstens anregen.  

Fehlt noch der Franz-Michael-Felder-Verein, dessen gegenwärtiger Obmann, Norbert Häfele, erst die Entscheidung der Gemeinde Rankweil abwarten wollte, aber einer Aberkennung der Felder-Medaille nicht das Wort sprach. Die Entscheidung in Rankweil ist nun erfolgt und auch der Felder-Verein wird sich, nach diesem klaren Schritt der Gemeinde Rankweil, im Vorstand diesem Thema stellen sollen, wenn sie nicht die Mauer machen wollen, die zumindest brüchig geworden ist.

Eine akkordierte Vorgehensweise der Aberkennung aller Institutionen wäre ein logischer Schlusspunkt einer schon viel zu lange schwelenden öffentlichen Debatte gewesen, die damit wieder und wieder auftauchen wird. In diesem Falle aber ist die Gemeinde Rankweil mutig und selbstbewusst vorangegangen und bringt die anderen Institutionen, von der Gemeinde Au über das Land Vorarlberg bis zur Bundesregierung, in Zugzwang. Auf alle Fälle ist in dieser Debatte ein weiterer Baustein in der Vorarlberger Kulturpolitik und deren Umgang mit dem nationalsozialistischen Erbe durch Rankweil gesetzt worden. Einige andere fehlen indes. Aber im Sinne des kulturellen Selbstbildes muss wohl weitergebaut werden, die Steine liegen da und darüber wird weiter gestolpert werden.

 

Zu Natalie Beer siehe auch Harald Walser: „… nicht die Letzten?“ Der „Fall Beer“ und die Vorarlberger Kulturpolitik, in: Allmende 9/1984, S. 169–174

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