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25.01.2012 / ORF-Bericht zum Vortrag von Horst Schreiber - Heimerziehung in Tirol und Vorarlberg

Horst Schreiber hat mit seinen Forschungen zur Heimerziehung in Tirol - die auch Vorarlberger Kinder und Jugendliche betraf - eine breite Debatte zu einem dunklen Thema der Pädagogik und des behördlichen Handelns angestoßen. Auf Einladung der Johann-August-Malin-Gesellschaft referierte er am 24. Jänner 2012 in Dornbirn.


ORF Vorarlberg online, 25.01.2012

Missbrauch: Historische Aufarbeitung läuft

Der Innsbrucker Historiker Horst Schreiber hat am Dienstag jüngste Forschungsergebnisse zur historischen Aufarbeitung der Gewalt in Vorarlbergs Kinderheimen präsentiert. Bei der Opferschutzstelle des Landes haben sich inzwischen 142 Betroffene gemeldet.

Als 2010 die Diskussion um Missbrauch und Gewalt in kirchlichen und staatlichen Institutionen immer lauter wurde, richtete auch Vorarlberg eine Opferschutzstelle beim Kinder- und Jugendanwalt ein. Bis November 2011 haben sich hier 142 Personen gemeldet.

Auf Empfehlung der Opferschutzstelle hat die Landesregierung auch eine historische Aufarbeitung gemeinsam mit dem Bundesland Tirol initiiert. Eine der versiertesten Persönlichkeiten dabei ist der Innsbrucker Historiker Horst Schreiber. Er hat gestern jüngste Forschungsergebnisse präsentiert.

Schreiber sieht Neurologin als Schlüsselfigur


Eine Schlüsselfigur der systematischen Gewalt an westösterreichischen Kinder- und Jugendheimen sieht Horst Schreiber in der Neurologin Maria Nowak-Vogel, die auch am Landesgericht Feldkirch bis 1980 als Gutachterin für Kinder- und Jugendpsychiatrie tätig war. In diesem Zusammenhang kritisiert der Historiker, dass der Opferschutzkommission des Landes der Psychiater Reinhard Haller angehört. Kontinuitäten innerhalb der Begutachtung könnten nur durch einen Blick von außen unterbrochen werden.



Zum Nachhören

Bericht des ORF-Landesstudios Vorarlberg in der Sendung „Kultur nach Sechs“ vom 25. Jänner 2012 - Moderation: Raffaela Rudigier, Bericht: Ingrid Bertel, Dauer: 13'40

Quelle: http://vorarlberg.orf.at/radio/stories/2518495/

 

Dieser Vortrag fand im Rahmen der Jahreshauptversammlung der J.-A.-Malin-Gesellschaft am 24.01.2012 statt.

 

***

 

ORF Tirol online, 09.07.2012

Studie zeigt Leid in Erziehungsheimen

Was wirklich in den Kinder- und Erziehungsheimen in Tirol und Vorarlberg nach Ende des zweiten Weltkrieges passiert ist, ist Inhalt einer Studie, die am Montag präsentiert wurde. Dieser Forschungsbericht wurde von der Uni Innsbruck erstellt.

Wie sehr mussten Mädchen und Buben tatsächlich unter ihren Erzieherinnen und Erziehern, unter Betreuern, Lehrern und Ärzten leiden? Das listet jetzt eine gemeinsame Studie für Tirol und Vorarlberg auf. Die Geschichte der Erziehungsheime in der zweiten Republik ist unter der Leitung der Innsbrucker Erziehungswissenschafterin Michaela Ralser von der Uni Innsbruck erstellt worden. Im Auftrag der beiden Landesregierungen sollten die historischen Fakten zu den Berichten geliefert werden, die seit zwei Jahren Österreich erschüttern.

Der leidvollen Geschichte ein Gedächtnis geben

Schläge, sexuelle Übergriffe, Pychoterror, Quälereien - all diese Dinge haben in den Heimen von Tirol und Vorarlberg stattgefunden. Dies ist eine Tatsache, die man nicht verschleiern sollte. „Mit diesem Bericht geben wir den Opfern eine Stimme und der leidvollen Geschichte über die unhaltbaren Vorgänge in den Heimen ein Gedächtnis“, ist Soziallandesrat Gerhard Reheis (SPÖ) überzeugt.

„Dass Jugendliche und Kinder seelische, physische und sexuelle Gewalt erleiden mussten, ist traurig und beschämend", sagte Vorarlbergs Soziallandesrätin Greti Schmid. Geschehenes könne nicht ungeschehen gemacht werden. Umso wichtiger sei es, dass dieses sensible Thema lückenlos aufgearbeitet wird: „Ich kann an dieser Stelle nur um Verzeihung bitten für das, was Kinder und Jugendliche vor 1990 erleiden mussten."

 

120709-Heimforschungsgeschichte


Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Heimgeschichte ist Teil des Opferschutzpakets. Vorarlbergs LRin Greti Schmid, LR Gerhard Reheis und Studienleiterin Michaela Ralser (v.l.) präsentierten die wichtigsten Ergebnisse.


Erziehungsstil war fundamental autoritär

Mündel- und Jugendwohlfahrtsakten, Heimunterlagen, Berichte der Vormundschaftsgerichte sowie Personal- und Krankenakten dienten als Quellen für die Studie. Insgesamt könne man feststellen, dass die Heime und Erziehungseinrichtungen bis in die 80er Jahre der nötigen Entwicklung weit hinterhergehinkt seien. Ausreichende Kontrolle seitens der Politik und anderer Aufsichtsorgane habe es nicht gegeben, erläutert Michaela Ralser, Professorin für Erziehungswissenschaften an der Universität Innsbruck, Psychotherapeutin und Leiterin der Studie.

Der Erziehungsstil sei fundamental autoritär gewesen, nicht demokratisch und wenig sorgsam im Umgang mit den Kindern, so Ralser. „Im Forschungsbericht wird deutlich, dass Alleinerzieherinnen und Eltern aus armen Verhältnissen bei der Jugendwohlfahrt lange unter besonderem Verdacht standen, ihren Nachwuchs nicht ausreichend zuverlässig zu erziehen. Diese unterprivilegierten Kinder waren dann auch die ersten und nahezu einzigen, die in Erziehungsheimen untergebracht waren.“

Mit den Erkenntnissen der Studie sollen jetzt weitere historische Aufarbeitungen stattfinden. Besonderes Augenmerk will man dabei auf das Vorarlberger Heim Jagdberg, auf die Tiroler Heime Bubenburg und St. Martin in Schwaz sowie die einstige psychiatrischen Kinderbeobachtungsstation legen.


Link:

Die Studie zum Nachlesen: www.tirol.gv.at/uploads/media/Forschungsbericht_Heime_Tirol_Vorarlberg.pdf 


Quelle:
http://tirol.orf.at/news/stories/2540599/

 

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ORF Vorarlberg online, 18.11.2013

Kinder als Versuchsobjekte von Ärztin

 

Nach dem Bekanntwerden von zweifelhaften Therapiemethoden an der Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation bis in die 1970er Jahre, hat eine Kommission am Montag einen vernichtenden Bericht vorgelegt. Unter 3.600 Krankenakten finden sich auch Akten zu Vorarlberger Kindern.

Bis in die späten 1970er Jahre wurden an Patienten Versuche durchgeführt, auch von 1970 bis 1987, als Maria Nowak-Vogl die Kinderpsychiatrie leitete. Ihre Behandlungsmethoden seien aus heutiger Sicht völlig unangemessen, erklärte Medizin-Rektorin Helga Fritsch bei einer Presskonferenz.

Seit Ende Februar 2012 hat sich eine interdisziplinäre ExpertInnenkommission mit dem an der Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation geschehenen Unrecht auseinandergesetzt.

Der Vorsitzende der Kommission, Günther Sperk, berichtete, dass in den 33 Jahren 3.650 Krankengeschichten von Kindern aus Tirol, Vorarlberg, Südtirol, Salzburg, Bayern oder anderen Regionen wie etwa der Schweiz dokumentiert seien.

88 frühere Patienten der Beobachtungsstation hätten sich bisher bei der nach Bekanntwerden von Misshandlungen in Tiroler Kinderheimen eingerichteten Opferschutzstelle des Landes gemeldet, 66 Betroffene bei der seit Februar 2012 existierenden Telefonhotline der Medizinischen Universität Innsbruck. Nowak-Vogl sei Teil eines „landesweiten Systems“ gewesen, das schutzlosen Kindern Gewalt angetan habe, meinte Sperk.

 

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ORF

Die Fürsorgeärztin, Psychiaterin und Heilpädagogin Maria Nowak-Vogl leitete die Einrichtung von ihrer Gründung 1954 bis zu ihrer Pensionierung 1987.


Merkmale „terroristischer Gewalt“

Die Experten fällten insgeamt ein vernichtendes Urteil über die Arbeit der im Jahr 1998 verstorbenen Psychiaterin Maria Nowak-Vogl, die von 1954 bis 1987 die Station leitete. Man habe „Merkmale terroristischer Gewalt“ festgestellt, meinte der Zeithistoriker Horst Schreiber bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Die Erzählungen von Betroffenen hätten offengelegt, dass an der Kinderbeobachtungsstation „sexualisierte, psychische, physische und strukturelle Gewalt“ ausgeübt worden sei.

Es habe ein „Klima der Bedrohung“ geherrscht, in dem die Kinder unter anderem beschimpft, verhöhnt, gedemütigt, erniedrigt, kalt abgeduscht und geschlagen worden seien. Kinder, die zuvor Gewalt erlebt hatten, seien auf der Kinderbeobachtungsstation als „sexuell gestörte Wesen“ abgestempelt und „mitschuldig gesprochen“ worden, meinte Schreiber. Anschließend seien sie über Gutachten Nowak-Vogls Kinderheimen zugeteilt worden.

„Schmerzhafte Injektionen“

 

Die Bedürfnisse der Kinder spielten laut Schreiber in der Beobachtungsstelle kein Rolle. Er berichtete von „schmerzhaften Injektionen“ und Verabreichungen zur Disziplinierung. Die Kommissionsmitglieder bestätigten zudem, dass das Tiermedikament Epiphysan verabreicht worden sei.

Nowak-Vogl verwendete dieses Präparat zur Behandlung von sogenannter Hypersexualität. Ihr sei es darum gegangen, insbesondere das sexuelle Verhalten der Kinder zu kontrollieren. Der Kinder- und Jugendpsychiater Ernst Berger sprach von einem „völlig sinnlosen Einsatz“ von Epiphysan. Besonders verwerflich sei, dass Nowak-Vogl die Verabreichung als Studie mit ihr anvertrauten, schutzlosen Kindern durchgeführt habe. Nebenwirkungen habe das Mittel keine ausgelöst, hieß es.

Schlüsselstelle in der Fürsorge

 

Die Leiterin der Kinderbeobachtungsstelle habe über Jahrzehnte eine „Macht-und Schlüsselstellung“ innerhalb der regionalen Fürsorgeerziehung und Kinderpsychiatrie innegehabt. Sie sei „exklusive Gutachterin und Behandlerin“ der als schwierig geltenden Heim- und Pflegekindern, vorwiegend aus unteren Schichten, gewesen, erklärten die Verantwortlichen. Nowak-Vogl habe eine „umfassende Deutungsmacht“ besessen. Die Politik habe keine „irgendwie geartete Kontrolle“ ausgeübt, kritisierte Historiker Schreiber.

 

Forschung wird fortgesetzt

 

Die Kommissionsverantwortlichen kündigten unterdessen eine Fortsetzung der Forschungsarbeiten an. Man stehe in Kontakt mit öffentlichen Fördergebern, das Land Tirol, die Med-Uni sowie die Universität Innsbruck würden sich daran beteiligen.

 

Link:


Quelle:

http://vorarlberg.orf.at/news/stories/2615564/

120709-Heimforschungsgeschichte

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