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05.12.2007 / Ohne Einladung auch keine Ausladung

Kontroverse zwischen Bürgermeister und Historiker über Zwangsarbeiter-Besuch

DER STANDARD, Printausgabe, 5. Dezember 2007



Dornbirn - Hat die Stadt Dornbirn eine Delegation ehemaliger Zwangsarbeiter eingeladen und dann wieder ausgeladen, oder war alles nur ein Missverständnis? Bürgermeister Wolfgang Rümmele (ÖVP): "Es gibt keine Ausladung, weil es keine Einladung gegeben hat."

Tatsache ist, dass sich in Rowenki/Ukraine drei alte Menschen samt Bürgermeister auf eine Reise nach Dornbirn vorbereitet hatten und mit Schreiben vom 5. Oktober erfuhren, dass sich Dornbirn für "eine andere Form der Begegnung und Unterstützung entschieden hat".

Die Vorgeschichte: Die Historikerin Margarethe Ruff und ihr Kollege Werner Bundschuh befassen sich in ihrem Forschungsprojekt "Brücken schlagen" mit Rückkehr und Migration ehemaliger Zwangsarbeiter. Bundschuh: "Bei früheren Besuchen in der Ukraine haben wir erfahren, dass der größte Wunsch mancher alter Leute nicht die materielle Entschädigung, sondern ein Besuch jener Orte ist, an dem sie den Großteil ihrer Jugend verbringen mussten."

Bundschuh suchte potenzielle Gastgeber und fand sie in der Stadt Dornbirn. Monatelang wurde vorbereitet. Ein reger Mailverkehr zwischen Dornbirn und Rowenki entstand. Die Stadt kontaktierte auch die Botschaft in Kiew wegen der Visa. "Es war schwierig, weil immer mehr aus gesundheitlichen Gründen absagen mussten, schließlich trauten sich drei die Reise zu", erzählt Bundschuh. Begleitet von Angehörigen und Bürgermeister sollten sie am 4. November nach Dornbirn kommen.

Geld statt Besuch

Am 1. Oktober beschloss der Bürgermeister, "dass nun alles anders ist" (Bundschuh). Es sei doch klüger, statt des Besuchs der drei Einzelpersonen eine allgemeine Einrichtung in Rowenki zu finanzieren, entschied Rümmele. Die 15.000 bis 20.000 Euro würde die Stadt gerne an ein Altenprojekt überweisen.

Dass er die Delegation ausgeladen habe, sei eine "mutwillige Auslegung", er habe keine formelle Einladung geschickt. "Wir haben geprüft und vorbereitet, das Wollen war da, aber eine formelle Einladung war das nicht", sagt Stadtarchivar Werner Matt, der mit den Besuchsvorbereitungen beauftragt war.

"Für mich war das eine Einladung, auch wenn sie nicht abgeschickt wurde", sagt Bundschuh. In Rowenki dürfte man das ähnlich sehen. Bundschuh: "Wir bekommen auf unsere Mails keine Antwort mehr."


Jutta Berger

 

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