25.06.2007 - Harald Walser: Ist überall Silbertal?
Vorarlberger Nachrichten, S. 8 KOMMENTAR HARALD WALSER harald.walser @ vol.at Hut ab vor Klaus Vallaster! Der Sohn des aus Silbertal stammenden Bergbauern und späteren Massenmörders Josef Vallaster verleiht im "VN"-Interview jener Trauer Ausdruck, die vielen Silbertalern bis heute abgeht. Dort beharrt man offiziell in trotziger und gleichzeitig menschenverachtender "Mir-san-mir"-Mentalität darauf, dass es "die da draußen im Tal" nichts angeht, wie man im Ort mit der NS-Vergangenheit umgeht. Besonders erschüttert, was die politisch Verantwortlichen von sich geben. "Ist überhaupt erwiesen, was da passiert sein soll? Ich zweifle daran. Ich finde es nicht gut, dass bei uns in dieser Weise geschnüffelt wird", meinte etwa Bürgermeister Willy Säly. Ja, Herr Bürgermeister, es ist erwiesen! Mit Josef Vallaster stammt ein furchtbarer Massenmörder aus Ihrer Gemeinde. Er wurde von verzweifelten Häftlingen an seinem Dienstort, dem Massenvernichtungslager Sobibor, mit einer Axt erschlagen, weil er sogar unter seinen SS-Kollegen als besonders brutal galt. Sein Sohn ist heute dazu in der Lage, Trauerarbeit zu leisten - nicht laut und spektakulär, denn es handelt sich immerhin um seinen Vater. Der inzwischen pensionierte Gärtner bekennt sich in einem bemerkenswerten Interview ohne Umschweife zu den Verbrechen des Vaters, liest die Bücher über seine Taten, reist an die Orte der fürchterlichen Mordtaten und leistet mit Spenden einen symbolischen Beitrag dafür, dass "so etwas nie mehr geschieht". Sollte, ja muss man so etwas nicht auch von politischen Verantwortungsträgern verlangen? Kann es sein, dass sie sich ohne Aufschrei aus der Bevölkerung mit zynischem Relativieren davonzustehlen versuchen? Anscheinend ist das in unserem Land möglich. Wie die von Seff Dünser gesammelten Stellungnahmen aus Silbertal beweisen, drückt der Bürgermeister wohl genau das aus, was große Teile der Bevölkerung denken. "Es ändert sich jetzt nichts. Man soll die Geschichte ruhen lassen. Sonst gibt es nur böses Blut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man seinen Namen aus dem Opferstein herauskratzt", meinte etwa der Gemeindevertreter Herbert Netzer. Ein Massenmörder aus dem Dorf stört die lokalen Honoratioren offensichtlich weniger als neugierige Journalisten und Historiker. Ein Mitverantwortlicher am Tod von Hunderttausenden Juden, einer, der selbst den Gashahn bedient hat, der auch privat mit der obersten Führungsschicht des Massenmords verkehrte und einen KZ-Kommandanten zum Trauzeugen hatte - all das stört die netten Silbertaler nicht. So einen ehren sie sogar auf einem Gedenkstein und können sich "nicht vorstellen, dass man seinen Namen aus dem Opferstein herauskratzt"! Vallaster war in Schloss Hartheim übrigens auch an der Vergasung von über 300 Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern beteiligt, die wegen ihrer Behinderung vom NS-Mordsystem als "nicht lebenswert" eingestuft wurden. Immerhin gibt es auch einige wenige andere Stimmen. Ein ehemaliger Lehrer etwa. Auch der Standesrepräsentant und Schrunser Bürgermeister Erwin Bahl zeigt sich "schockiert" und "sehr betroffen". Dass solche Selbstverständlichkeiten in Vorarlberg für einen Politiker schon als mutig bezeichnet werden müssen, sollte uns alle ebenfalls "schockieren" und "sehr betroffen" machen. Es bleibt noch viel zu tun, damit die in Silbertal deutlich gewordene Geisteshaltung überwunden werden kann. Einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit kann es nicht geben - auch wenn es einige gerne so hätten. Klaus Vallaster hat das erkannt und die Konsequenzen gezogen.
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