KOMMENTAR
HARALD WALSER harald.walser@vol.at
Nun haben die Silbertaler also seit Monaten eine "Geschichtswerkstatt".
Das ist begrüßenswert, weil an vielen Orten die kritische Aufarbeitung
der Geschichte mit Initiativen von unten begann. Und da stört es auch
nicht, dass sich in dieser Gruppe kein einziger Historiker befindet.
Anlass für die Initiative war der bekannt gewordene Fall des
Silbertaler Massenmörders Josef Vallaster, der auf dem "Kriegerdenkmal"
der Gemeinde zum "Opfer" wird. Vallaster war ab April 1942 im
Vernichtungslager Sobibor mitverantwortlich für die Ermordung von
250.000 Juden, er hat zuvor im berüchtigten Schloss Hartheim in
Oberösterreich am Vergasungstod von 18.000 Behinderten mitgewirkt. Die
Brutalität Vallasters wurde selbst von SSAngehörigen hervorgehoben und
war mit ausschlaggebend dafür, dass er von Häftlingen mit einer Axt
erschlagen wurde.
Als diese Tatsachen bekannt wurden, gab es die bei uns übliche
Reaktion: Vom Bürgermeister abwärts wurden Fakten in Zweifel gezogen
oder verharmlost. Als das nicht mehr möglich war, wurde - richtig
geraten - eine Kommission ins Leben gerufen. Nicht eingeladen hat man
jene Fachleute, die im Land einschlägig gearbeitet haben. Da wäre etwa
Gernot Kiermayr, der in einem Pionierwerk auf die Verbrechen des
ehemaligen Direktors der Valduna hingewiesen hat. Oder Werner Dreier,
der als Historiker im Auftrag des Unterrichtsministeriums genau daran
arbeitet, womit sich die Silbertaler offenkundig schwer tun: Wie soll
man an die NS-Zeit erinnern? Welche Formen der Erinnerungskultur müssen
aufgebaut und entwickelt werden?
Um es ganz deutlich zu sagen: Das Silbertal steht nicht allein, was
den schludrigen Umgang mit dem hausgemachten Anteil an der NS-Barbarei
angeht. Die Silbertaler haben nur das Pech, dass ihre Vorgangsweise
überregional aufgefallen ist. Sie haben zudem die Chance einer
ehrlichen und schonungslosen Diskussion nicht erkannt. Dazu ist sogar
der Sohn des Massenmörders bereit und auch der Montafoner
Standesrepräsentant Erwin Bahl hat deutliche Worte gefunden.
Stattdessen mutierte im Silbertal die Kommission zu einer
Geschichtswerkstatt mit Bürgermeister und einheimischen Honoratioren.
Der Leiter erklärte, man wolle eine "für das Dorf repräsentative
Konstellation aus Mitwirkenden" und "den ramponierten Ruf in
öffentliche Anerkennung und Respekt transformieren". Ob das gelingen
kann, wenn man vor lauter Angst "primär nach innen gekehrt arbeiten"
will? Man möchte natürlich auch Geld - und bekommt es wohl, wenn man im
Vorhinein garantiert, nicht anzuecken: vom Land Vorarlberg, dem Stand
Montafon, der Gemeinde Silbertal, der Montafonerbahn, den Illwerken -
ausgerechnet von den Illwerken, die jahrelang kritische
Geschichtsschreibung behindert haben und ihr Archiv der allgemeinen
Forschung noch immer nicht zugänglich machen.
Sinnvoll ist sicher, wenn man - wie am vergangenen Samstag - für
Vorträge einen Experten von außen holt. Dafür und wenn statt
Honoratioren hauptsächlich Interessierte mitmachen, hat die
Geschichtswerkstatt ihre Berechtigung. Derzeit aber steht sie in
Gefahr, als Teil eines inszenierten Ablenkungsmanövers vom
inakzeptablen Umgang mit dem Massenmörder Vallaster zu gelten. Warum
sagt man nicht einfach: Ja, diese Tafel war ein unverzeihlicher Fehler!
Wir weisen künftig in einem Zusatz auf das verbrecherische Wirken
Vallasters hin. Das wäre weniger umständlich, ehrlicher und - in
Vorarlberg ganz wichtig - es bräuchte weniger Sponsoren!