Anmerkung der J.-A.-Malin-Gesellschaft: Die Bezeichnung "polnische
Vernichtungslager" ist unrichtig und (zumal für Polinnen und Polen)
unakzeptabel. Die Lager waren deutsche Vernichtungslager auf
polnischem Gebiet.
Vorarlberger Nachrichten, S. 12
Damit das nie mehr passiert
Klaus Vallaster, 65, ist der Sohn des Silbertaler NS-Massenmörders
Josef Vallaster.
SEFF DÜNSER seff.duenser
@ vn.vol.at, 72/501-264
VN: Wann und wie haben Sie von der NS-Vergangenheit
Ihres Vaters erfahren?
Klaus Vallaster: In den Sechzigerjahren
hat mich meine Mutter aufgeklärt. Ich war stutzig geworden. Man hatte
mir immer nur erzählt, mein Vater sei in Sobibor ums Leben gekommen.
Dann habe ich im Lexikon erfahren, dass Sobibor ein Vernichtungslager
war.
VN: Wie gehen Sie mit der mörderischen
Vergangenheit Ihres Vaters um?
Klaus Vallaster: Das ist nicht einfach.
Ich habe ja in der DDR gelebt. Dort habe ich das nicht an die große
Glocke hängen wollen. Deshalb habe ich im Lebenslauf geschrieben, mein
Vater sei im Krieg umgekommen.
VN: Haben Sie Hilfe in Anspruch genommen?
Klaus Vallaster: Überhaupt nicht. Ich bin
psychisch relativ stabil und habe bisher keine Hilfe gebraucht.
VN: Inwiefern war am NSMassenmord an Zivilisten
neben Ihrem Vater auch Ihre Mutter beteiligt, die ebenfalls im
österreichischen Behinderten-Vergasungszentrum Hartheim in
Oberösterreich tätig war?
Klaus Vallaster: Sie kam als
Krankenpflegerin aus Brandenburg im Mai 1940 dorthin. Sie hat erzählt,
dass mit ihrer Beteiligung Kranke dort hingebracht und entkleidet
wurden.
VN: Dann wurden die Kranken und Behinderten
vermeintlich zum Duschen in einen Raum geführt und dort vergast.
Klaus Vallaster: Ja. Ich war sehr
erstaunt über den Kepplinger-Bericht.
VN: Die Historikerin Brigitte Kepplinger berichtet,
Ihr Vater habe die Leichen verbrannt und zuweilen sogar den Gashahn
geöffnet.
Klaus Vallaster: Meine Mutter hatte mir
erzählt, er habe als Kraftfahrer Kranke abholen müssen, auch aus der
Nähe von Innsbruck.
VN: Hall war auch eine Zwischenstation für
Patienten aus der Valduna, die dann in Hartheim vergast wurden. Wo
Leben ausgelöscht wurde, entstand neues Leben: Sie wurden in Hartheim
gezeugt.
Klaus Vallaster: Ja, meine Eltern haben
sich in Hartheim kennengelernt und dort geheiratet. Trauzeuge war auch
Franz Stangl.
VN: Der Oberösterreicher war Verwaltungsleiter in
Hartheim und danach Nachfolger des Bregenzer NS-Arztes Irmfried Eberl
als Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka.
Klaus Vallaster: Ja, ich habe das Buch
von Gitta Sereny über Franz Stangl gelesen. Der zweite Trauzeuge war
Christian Wirth.
VN: Wirth war Büroleiter und wurde danach
Inspekteur der drei polnischen Vernichtungslager.
Klaus Vallaster: Hartheim hatte ein
eigenes Standesamt. Familienangehörige durften zur Hochzeit nicht
kommen.
VN: Mit dem Standesamt wurden die Behindertenmorde
vertuscht.
Klaus Vallaster: Ich war 2000 in Hartheim
und möchte jetzt dort die Gedenkstätte sehen. Als meine Mutter 1941 mit
mir schwanger war, verließ sie Hartheim und ging zurück nach
Brandenburg. Dort wurde ich 1942 geboren.
VN: 1942 wurde Ihr Vater Aufseher in Sobibor.
Klaus Vallaster: Er war dort einer der
maßgebenden Leute in der Vernichtungsmaschinerie. Er hatte eine
fürchterliche Aufgabe. Ihm unterstand die Vergasung. 250.000 Juden
wurden in Sobibor vergast.
VN: Wie werden Sie damit fertig?
Klaus Vallaster: Ich kann das nicht
rückgängig machen und ich kann keine Wiedergutmachung betreiben.
VN: Aber Sie sind doch um Ausgleich bemüht?
Klaus Vallaster: Ich habe einen Betrag
gespendet für die Gedenkallee in Sobibor, wo ich 1979 erstmals war. Ich
bemühe mich mit meinen bescheidenen Mitteln, mit dafür zu sorgen, dass
so etwas nie mehr passiert. Ich bin dieser NS-Ideologie nicht
verhaftet. Ich will damit nichts zu tun haben. Aber man muss sich im
Klaren darüber sein, wie das alles damals hat entstehen können. Das war
ja eine Riesenbewegung.
VN: Hassen Sie für seine Verbrechen Ihren Vater,
der 1943, als Sie eineinhalb Jahre alt waren, beim Häftlingsaufstand in
Sobibor erschlagen wurde?
Klaus Vallaster: Nein, ich hasse ihn
nicht. Er ist für mich einfach mein Vater, den ich nie kennengelernt
habe. Ich hätte an ihm verzweifeln können. Aber so bin ich nicht
gestrickt. Meine Mutter, die 1995 gestorben ist, und meine Verwandten
in Silbertal sprachen immer nur in höchsten Tönen von ihm. Demnach war
er, ein Landwirt und Senn, fleißig und freundlich.
VN: Sie waren schon mehrmals zu Besuch in
Silbertal.
Klaus Vallaster: Ja, erstmals 1959 und
zuletzt 2003. Drei Halbgeschwister meines Vaters leben noch. Meine
beiden Tanten sind schon lange tot. Als mein Vater in die NSDAP
eintrat, ging seine Schwester ins Kloster, nannte sich Adolfine und war
in Mäder und Tschagguns eine angesehene Volksschullehrerin. Im
September 2006 hatten wir - ich, meine Frau und meine beiden Söhne -
hier in Schöneiche bei Berlin zuletzt Besuch aus Silbertal.
VN: Soll der Name Ihres Vaters vom Opfergedenkstein
für die gefallenen Soldaten in Silbertal entfernt werden?
Klaus Vallaster: Ich hätte kein Problem
damit. Aber er ist mit seinem frühen Tod schon bestraft worden für
seine Taten.
VN: Wie war es möglich, dass Ihr Vater 60 Jahre
lang in Vorarlberg ein Unbekannter sein konnte?
Klaus Vallaster: Das ist wohl sehr
verdrängt worden, so wie anderswo die NS-Vergangenheit auch. Die
Aufarbeitung läuft nicht nur in Vorarlberg jetzt erst richtig an.
VN: Was haben Sie beruflich gemacht?
Klaus Vallaster: Ich habe Gartenbau
studiert, war Diplomgärtner und bin jetzt seit 1. Mai Rentner.